Karlsruher Naturraumsaatgut – Ernte blütenreicher Wiesen für die Anlage von Grünflächen und Wiesen in Stadt und Flur

Kommune Stadt Karlsruhe
Bundesland Baden-Württemberg
Kontakt Gwendolyn Bergström
Umwelt- und Arbeitsschutz, Fachbereich Ökologie
Tel.: 0721 / 133-3126
E-Mail: gwendolyn.bergstroem@ua.karlsruhe.de
Kooperationspartner Gartenbauamt Stadt Karlsruhe
Thomas Breunig - Institut für Botanik und Landschaftskunde
miteinanderleben e.V.
Laufzeit November 2020 – November 2027
(Fortführung nach 2027 beabsichtigt)

 

KURZBESCHREIBUNG

Die Auswahl geeigneter Saatgutmischungen für die Aufwertung oder Anlage von Blühwiesen stellt viele Kommunen regelmäßig vor große Herausforderungen. Neben der Förderung von Zielorganismen – z. B. blütenbesuchende Insekten – stellen auch der Einsaatzeitpunkt und die Standortbedingungen sowie die optische Attraktivität der Blühwiese für Bürgerinnen und Bürger wichtige Auswahlkriterien dar.

Zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und des natürlichen Artenspektrums einer Region – insbesondere bei Naturschutzvorhaben – wird häufig autochthones (naturraumtreues) Saatgut eingesetzt. Im Gegensatz zu Regiosaatgut wird autochthones Saatgut nicht mittels Anbau vermehrt, sondern entstammt der Spenderfläche einer bestimmten naturräumlichen Haupteinheit, z.B. dem Schwarzwald-Vorhügel. Die Gewinnung und Ausbringung des autochthonen Saatguts muss in ein und derselben naturräumlichen Haupteinheit erfolgen. Dies trägt dazu bei, die regionale Artenvielfalt zu erhalten und Florenverfälschungen zu verhindern.

Derzeit ist autochthones Saatgut jedoch noch nicht für alle biogeografischen Regionen erhältlich und steht insbesondere für größere Projekte oft nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Alternativ kann in solchen Fällen auf sog. Regio-Saatgut ausgewichen werden, welches naturschutzfachlich gegenüber konventionellem Saatgut zu bevorzugen ist, aber regionale genetische Besonderheiten i.d.R. weniger gut abbildet als naturraumtreues Saatgut. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Ernte von eigenem autochthonem Saatgut vermehrt an Bedeutung für Kommunen, was die Verantwortlichen jedoch vor zahlreiche fachliche und logistische Herausforderungen stellt: Welche Flächen eignen sich als Spenderflächen? Mit welcher Methode soll das Saatgut geerntet werden? Wer übernimmt die Beurteilung der Samenreife? Wo kann das Saatgut getrocknet und gelagert werden?

„Karlsruher Naturraumsaatgut – Ernte blütenreicher Wiesen für die Anlage von Grünflächen und Wiesen in Stadt und Flur“

Diesen Herausforderungen stellt sich die Stadt Karlsruhe im Rahmen ihres Zukunftsprojekts und widmet sich der Gewinnung von autochthonem Saatgut für die fünf im Stadtgebiet vorkommenden Naturräume „Rheinniederung“, „Hardtebene“, „Schwarzwald-Vorhügel und – Randplatten“, „Kinzig-Murg-Rinne“ und „Kraichgau“. Aufgrund der naturräumlichen Unterschiede war es bisher schwer, geeignetes autochthones Saatgut für die unterschiedlichen Standortgegebenheiten zu finden.

In Kooperation mit dem ortsansässigen Institut für Botanik und Landschaftskunde wurde ein Spenderflächenkataster zur Saatgutgewinnung erstellt. Als Spenderflächen kommen hierbei naturschutzfachlich hochwertige Wiesen der einzelnen Naturräume, aber auch Grünflächen oder Hochwasserdämme mit einem hohen Naturraumbezug und Natürlichkeitsgrad infrage.

Für die Ernte, Trocknung und Lagerung des Saatgutes wurde der miteinanderleben e.V. als Dienstleister beauftragt. Hierbei handelt es sich um eine gemeinnützige Einrichtung, in der Menschen mit und ohne körperliche oder geistige Beeinträchtigung zusammen beschäftigt werden. Die Ernte des Saatgutes erfolgt mithilfe eines eBeetle – einem handbetriebenem Gerät, welches die Samen mittels einer Bürstenwalze vorsichtig von den Halmen löst. Durch diese Methode können die Wiesen weiterhin für die Heugewinnung genutzt und Verluste an wirbellosen Tieren sowie Schäden an Boden und Vegetation im Vergleich zu herkömmlichen Mahd- und Erntemethoden minimiert werden. Zusätzlich werden die Samen bestimmter wertgebender Pflanzenarten, welche nicht maschinell mit dem eBeetle geerntet werden können, per Handernte gesammelt. Anschließend wird das Saatgut getrennt nach Spenderflächen und Erntedatum getrocknet, um eine Vermischung zwischen den Naturräumen zu vermeiden.

Im Herbst 2022 wurden die ersten stadteigenen Grünflächen mit dem selbst geernteten Karlsruher Naturraumsaatgut eingesät. Sowohl auf den Spender- als auch auf den Empfängerflächen wird ein mehrjähriges Monitoring durchgeführt, um die floristischen Entwicklungen zu überwachen und ggf. bei der Pflege, dem Ernteprozess oder der Einsaat nachsteuern zu können.

Zukünftig wird das  Karlsruher Naturraumsaatgut auch weiteren Vorhabensträgern wie Wohnungsbaugesellschaften oder Naturschutz- und Umweltverbänden zur Verfügung gestellt.

 

Auszeichnung der Stadt Karlsruhe